Scherben der Vergangenheit
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In Luft aufgelöst  RSS feed
Übersicht » Die Stämme des Südens
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Tom Schnellferse



Beigetreten: 27.01.2015 13:58
Beiträge: 56
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Lange Zeit war vergangen, seit Armin bin Adil gesichtet wurde. Nach seinen Erlebnissen in der grünen anderen Welt und dem Bruch seines Armes hatte er sich verändert. Er wurde abwesender, sowohl im Geiste als auch körperlich und man konnte sich dem Gefühl nicht erwehren, dass er immer mehr schwand. Als würde er sich in das auflösen, was sein Element war und was er einst so liebte. Er wurde noch ein paar mal gesehen, doch sprach er letztendlich nurnoch wenig. So war er nach einer gewissen Zeit völlig verschwunden. Niemand sah ihn mehr. Für Wochen, für Monate und letztendlich für Jahre.

Ob er wirklich verschwunden, gestorben oder sich einfach nur zurückgezogen hatte, war schwer zu beurteilen. Fakt war, dass er sehr lange nicht mehr erschien. So war es das Recht seiner aufgewühlten Verlobten, sein Testament einzulösen. Er legte nie viel wert auf Besitz und so wird das, was er besaß, sicherlich gut für das Volk genutzt werden.
Asra Dar Dilan

Freier Mitarbeiter
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Beigetreten: 14.12.2014 20:08
Beiträge: 113
Standort: Bremen

Einige Tage hatte Asra damit gehadert. Lediglich ein paar Waffen hatte sie in die Metalltruhe gelegt, die sie einst Armin gekauft hatte, damit er seine Habseligkeiten drin verstauen konnte. Sie hatte die Truhe in ihr neues Schlafzimmer gestellt, als warte sie trotz allem darauf, dass er irgendwann zurückkehren würde. Auch das Bankfach hatte sie nicht angerührt. Für sie war er nicht tot. Es war anders. So kam es ihr zumindest vor. Als wäre er schon noch irgendwie ... da. Aber anders als zuvor. Vielleicht bildete sie sich das aber auch nur ein, angetrieben von der Hoffnung, dass er doch eines Tages wieder so unvermittelt vor der Tür stehen würde, wie damals nach der Rückkehr aus Grünwald. Vielleicht fiel es ihr daher so schwer zu trauern. Oder weil sie es gewöhnt war, dass er lange fort blieb und irgendwann doch wieder auftauchte, als wäre nichts gewesen.

Oder weil die Reise auch sie schleichend verändert hatte.
Sie ertappte sich immer öfter dabei, wie getrieben sie sich fühlte. Sie wollte weiter reisen, aber Verpflichtungen und Versprechen hielten sie gefangen - die Stadt einerseits und ihre Pflicht dieser gegenüber, andererseits die noch immer ausstehende Antwort Elrons. Die Ungeduld drohte in ihr jedes Mal aufzukochen, wenn sie daran dachte, wie lang es nun schon her war, dass sie sich - endlich! - einig gewesen waren, wer das Gespräch mit Ereon führen sollte. Und nun dieses Warten.
Allein, dachte sie im Stillen, bin ich doch besser dran. Als sie dies dachte, fügte eine leise Stimme in ihr hinzu, dass sie auch ohne Armin besser dran ist - ohne diese Pflicht, auf ihn Rücksicht zu nehmen. Ohne das Gewissen, was er manches Mal war. Ohne Schuldgefühle und davon hatte sie etliche gehabt. Sie mochte diesen Gedanken nicht, aber es war etwas Wahres dran.

Armin und Asra hatten sich unterschiedlich entwickelt. Die Zeiten, als sie beide und noch dazu Kadir so unbeschwert, neugierig und offen durch die Welt gezogen waren und dachten, alles wäre ohne einen großen Preis zahlen zu müssen, erreichbar, waren vorbei. Erst ging Kadir, als die Pflicht ihn rief und hinterließ eine erste Lücke. Armin wiederum tauchte tiefer ein in die Mysterien des Windes, während Asra sich ihrem Element zu entfernen drohte - getrieben zwar noch vom Wind und mit ihm reisend, doch ihre Tätowierung hatte sich verändert und es schien, als wenn Grünwald nun eine entscheidendere Rolle für ihr Wesen spielte, als es das Element Wind einst tat. Grünwald, diese Welt, die zuvor nicht mehr als ein Gerücht war. Durchzogen von einem verwirrenden Labyrinth, belebt von faszinierenden, teils tödlichen Kreaturen. Kalt, dunkel und doch blühend. Voller Leben, dass einem den Tod versprach. Eine Welt, die einen weiter reisen ließ - sogar in Welten, deren Erreichen mancher Elementarist mühselig zu trachten versuchte. Oder in Welten, die einen den Verstand zu kosten drohten - errichtet aus Säure, Büchern und beherrscht von gewaltigen Augen, die alles zu beobachten schienen, alles zu wissen scheinen.
Und jenes "Geschenk" aus dieser Welt rief sie in letzter Zeit allzu oft, so dass sie manches Mal erschöpft erwachte und bemerkte, dass sie über diesem eigenartigen Buch eingeschlafen war. Vielleicht war es das Buch, was noch zusätzlich das Gefühl des Alleinseins verstärkte.

Doch der Leuchtturm war ihr schon längst zu groß geworden. Damals, als Armin das erste Mal lange fort gewesen war und sie allein im Turm lebte, hatte sie diese Leere dort gespürt. Einzig der Wind, der oben übers Dach pustete, gab ihr etwas Trost. Doch nun war er nicht mehr tröstend, sondern erinnerte eher schmerzlich an das, was sie verloren hatte. Sie musste dort raus und hatte so ihre Sachen gepackt und sich ein Haus genommen, was besser zu ihr passte - ganz am Ende der kleinen Halbinsel stand es, fernab der anderen und des geschäftigen Treibens im Juwel. Es sollte nun ihr Haus allein sein und daran wollte sie auch nichts mehr ändern.

Trotzdem blieb noch so manches von Armin zurück. Die Erinnerungen, die für sie kostbar blieben, auch wenn sie schmerzten (und stärkten, so hoffte sie). Die Geschenke und eben diese Truhe. Kurz atmete sie durch, dann jedoch öffnete sie sie und sah über die Dinge, die zurück geblieben waren. Kleidung, Waffen, Tränke, ein Brief ...
Asra stutzte und betrachtete die Schriftrolle. Sie war noch immer versiegelt und das Siegel stammte eindeutig von Armin. Stirnrunzelnd sah sie an der Rolle entlang und las, dass er diesen Brief an sich selbst adressiert hatte. Einen Moment lang war sie unentschlossen, doch dann brach sie das Siegel vorsichtig und begann zu lesen.
Langsam und vollkommen verwirrt ließ sie sich auf dem kühlen Fliesenboden nieder, als sie die Worte las und verstand. Las sie nochmal. Und nochmal.
Am Ende hing ihr Blick lange Zeit einfach nur noch an dem letzten Satz: Asra hat Denon und die Uhr schon vergessen.
Ein Name hallte fragend durch ihren Geist, durchsuchte erfolglos jeden dunklen Winkel dessen, was man Gedächtnis nennt - Denon?
Asra Dar Dilan

Freier Mitarbeiter
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Beigetreten: 14.12.2014 20:08
Beiträge: 113
Standort: Bremen

Musik

Asra fühlte sich schwach und unsicher. Mit müden Augen sah sie hinauf zum Dach ihres Hauses, was vornehmlich aus leicht sich im Wind bewegenden Stoff und leise knarschenden Holzgestänge bestand. Neben ihr vernahm sie den gleichmäßigen Atem Amins, ein Geräusch, was sie in der Nacht eigentlich schätzte, aber in diesem Moment hätte sie ihn lieber aus dem Bett geschubst und ihm entgegen geschleudert, dass er ihr keine Hilfe sei - ganz im Gegenteil und vor allem: nicht wie Armin. Und dieser Gedanke gefiel ihr nicht, da er ungerecht Amin gegenüber war. Aber es war das Gefühl, was zurück blieb, als sie das Gespräch beendeten, um ins Bett zu gehen. Sie war unzufrieden. Mit ihm, würde sie sich gerne einreden, aber sie war vor allem unzufrieden mit sich. Sie müsste stärker und entschlossener sein, wie es jemanden wie ihr eigentlich zustand, sagte sie sich im Stillen. Stattdessen haderte sie mit allen möglichen "Wenns" und "Abers" und kam zu keinem Ergebnis mit den Dingen, die sie beschäftigten.
Was war eigentlich mit ihr passiert?

Doch, sie wusste, woher es herrührte. Johanns Veränderung durch Grünwald, Armins Bruch, den sie nur noch verschlimmert hatte mit ihrem stürmisch-kopflosen Handeln und letzten Endes blickte sie auf noch so manchen Fehler mehr zurück, während sie schlaflos dalag. Im Gespräch mit Amin hatte sie sich auf ihn konzentrieren können, aber nun, wo sie hier nur neben ihm im Bett lag und allein mit ihren Gedanken war, kreisten diese um all das herum und drohten sie abwärts zu ziehen. Sie lauschte unweigerlich den Stimmen, die sie antrieben oder zurückhielten.

Geh zu Denon und schnapp ihn dir. Bring ihn um, damit er dir keinen Schaden mehr zufügt.
Er könnte schneller sein wie du. Vielleicht weiß er jetzt sogar, was du planst, aber du weißt es nicht, weil du nicht mal weißt, wer er eigentlich ist!

Nimm es dir einfach. Setz die Person unter Druck! Irgendwer wird sicher großes Interesse an diesem Mord haben.
Das könnte Leon nicht gefallen und wohin führt das am Ende? Genau. Das willst du nicht.

Ihr fehlte die Sicherheit, das zumindest war sicher. Sicherheit in ihrem Handeln, in ihrem Denken, in ihrem Auftreten. Ihr war bisweilen so, als trete draußen im Juwel bloß eine Art Hülle von ihr auf. Ein Abbild dessen, was sie mal war, ehe sie Grünwald betreten hatte und vieles seinen Lauf genommen hatte, dessen Auswirkungen sie selbst jetzt noch deutlich und schmerzhaft spürte.
Vielleicht sollte sie einfach etwas tun und auf Erfolg hoffen, der ihr die Sicherheit zurückgeben würde. Vielleicht sollte sie tatsächlich diesem Denon gegenüber treten. Was gab es schon zu verlieren? Im Moment gab es da nur eines, was sie stärker am Leben band und eine Zukunft versprach, aber wie konnte es diese Zukunft geben, wenn sie mehr und mehr das Gefühl hatte, immer schwächer zu werden?
Asra blieb ratlos und fand in dieser Nacht keinen Schlaf mehr, dreht sich unruhig herum, bis es sie früh am Morgen hinaus trieb und sie, ohne mit den Gedanken dabei zu sein, ruhelos durchs Juwel und die nähere Umgebung strich.

Wenn man den Weg verliert,
lernt man ihn kennen.
~ Sprichwort der Tuareg
 
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