Die Tür quietschte leise, als Runa sie öffnete. Der Abend war hereingesunken, kälter als der Tag, doch mild genug, dass der Atem nur träge in der Luft stand. Sie trat hinaus, die Flamme der Fackel in ihrer Rechten flackerte kaum – selbst der Wind schien heute müde.
Dann hielt sie inne.
Der Dolch. Ein rostiger Griff, roh und ohne Zier, tief in das Holz geschlagen. Das Papier darunter flatterte kaum – zu steif vom Wachs, zu schwer vom Geruch. Etwas Bitteres. Heilerkräuter? Nein. Etwas daran war … falsch. Faul und scharf zugleich. Ihr Herz schlug schneller. Kurz. Nicht aus Panik, aber aus einer alten, stillen Vorsicht. Es hätte eine Warnung sein können. Eine Drohung. Sie trat näher. Langsam löste sie den Dolch, zog das Papier ab, ohne es weiter zu beschädigen. Ein wenig Wachs bröckelte zu Boden. Sie sah sich nicht um – niemand war da. Kein frischer Schnee, keine neuen Spuren. Wer immer es gebracht hatte, war lange fort.
Sie sah die Schrift. Las die wenigen Worte. Runa blinzelte. Kein Absender. Aber Worte, die schwer wogen. Und so gewählt waren, dass sie verstanden würden. Von ihr. Runa ging zurück ins Haus, leise, zielgerichtet. Sie legte das Papier auf den Tisch, daneben den Dolch, rostig und stumpf, aber nun ein Teil der Botschaft. Dann nahm sie ein Stück raues Packpapier, riss es zurecht, schrieb mit dunkler Tinte:
Bin nach Dengra gereist.
Sie faltete den Zettel und beschwerte ihn mit einem kleinen Glasgewicht, das sonst Kräuterwurzeln presste. Dann brach sie auf. Ein letzter Blick zur Tür. Der Schlitz, den der Dolch hinterlassen hatte, war schmal, aber sichtbar. Runas Blick blieb kurz daran haften. Dann wandte sie sich ab.
Der Weg zum Hafen würde kalt sein, aber das war nicht neu. Am Hafen sah sie Vogestr und bat ihn Aelia etwas auszurichten.
"Wenn du Aelia siehst, sag ihr bitte, dass sie eine Nachricht auf dem Tisch hat. Und dass ich in Dengra bin." Ihr Ton war ruhig, kein Platz für Fragen. Dann verschwand sie im Rumpf des Schiffes.
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