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Stadt des Glanzes » Vor jedem Stich

Author: Clementine Rockstroh
06.07.2025 18:01
„Tauch vor jeden Stich die Nadel in das hier.“ War ein Satz aus vergangenen Tagen er hallte wie ein Echo im leeren Raum.
Einige Wochen war sie schon wieder am Hof, aber Luna war nicht zu sehen. Sie fütterte die Tiere und pflegte die Bäume vergaß fast völlig , dass sie inzwischen ein eigenes Handwerk hatte dem sie nach gehen sollte. Die Aufträge waren schon in weite ferne gerückt und erst als sie sich einen Knoten machen wollte, wann sie erneut ernten könnte sah sie die vielen Knoten. Selbst diesen einen hatte sie bereits verdrängt und betrachtete einen grünen Faden. An dem Abend hatte sie alles in ihre Schublade geräumt, sie zu gemacht und alles vergessen. Nun lag sie da gefühlt eine Ewigkeit die Fäden anstarrend und abwechselnd mal zur Decke blickend. „Was bedeutet dieser Knoten?“ Sie rieb ihn, streichelte ihn und bat ihn darum mit ihr zu reden, doch er blieb stumm. Mit dem Stock auf ihrem Kopf schlief sie ein. Mitten in der Nacht als sie etwas wach wurde um sich umzudrehen, fiel der Stock auf den Boden mit einem lauten tock. Sie schrak auf und sah sich im dunklen Zimmer um. Auf dem Schubladenschrank stand eine Phiole dessen Inhalt leicht schimmerte. Sie nahm sie in die Hand und tauchte eine ihrer vielen Nadel hinein. Ein einzelner Tropfen blieb an der Spitze hängen. Mit einem streif am Rand der Phiole rann der Tropfen zurück. Das machte Clementine ein paar mal. Ein „Ah“ durchbrach die Stille, gefolgt von einem „jetzt weiss ich es wieder.“ Auf dem Boden bereitete sie einen leicht gräulichen, leicht noch klebrigen und besonders duftenden Stoff aus. Sie übertrug ein paar Werte auf den Stoff und kramte eine dunkle Schere aus ihrer Tasche. Das entfachte Kerzenlicht flackerte immer wieder etwas und wurde nach und nach von der langsam aufgehenden Sonne abgelöst. Um sie herum lagen wild zusammengenähte Stoffreste und Fäden, die teilweise schimmerten. Sie wischte sich mit dem Unterarm über die Stirn. „Hm.“ Sie betrachtete ein aus Stückchen zusammengesetztes Puppen großes Kleidchen, vernähte das letzte Stück vom Faden und hielt es ins Licht. Der Stoff war überhaupt nicht mehr so klebrig und fühlte sich sehr weich an. Die Nähte betrachtete sie genau jedes Mal hatte sie bisher aus Gewohnheit vergessen mindestens einmal die Nadel einzutauchen, aber diesmal … diesmal nicht. Der zugeschnittene Stoff lag immer noch unangetastet da. Sie stand auf streckte sich und verschwand in den weiten des Hofes. Gegen Mittag kam sie zurück sah auf den Stoff und legte sich für einen Mittagsschlaf ins Bett. Auf der Seite liegend die Augen aufschlagend war das erste was sie sah die halb volle Phiole. Dann glitt sie aus dem Bett und suchte nach der anderen, die er ihr mal gegeben hatte. „Irgendwo muss sie sein.“ Gefunden! Jetzt aber begann sie und sie nahm sich Zeit und die brauchte sie auch. Es dauerte viel länger als für gewöhnlich. Mehrere Tage setzte sie sich dran und ungefähr am 5. Tag konnte man erahnen was es werden sollte. Fertig war sie noch immer nicht. Immer wieder kontrollierte sie jeden Naht Abschnitt und wenn sie auf dem Stück einmal das eintauchen vergessen hatte trennte sie den ganzen Faden raus und machte es nochmal. Vielleicht ginge es auch nur ein Teilstück raus zu nehmen, aber die Knoten auf halber Strecke könnten auf der Haut reiben und sähen nicht so schön aus. „Bald fertig.“ Und so wurde „vor jeden Stich.“ Zu einem Mantra was sich eingebrannt hatte.




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