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Denon - Kräutersucher, Wanderer und ...? RSS feed
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Denon


Joined: Nov 16, 2025
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Nebel

Der Wald nahe des Rabenbergs lag schwer und feucht unter dem sanften Druck des Nebels. Die Sonne war längst hinter den schiefen Bäumen verschwunden, und nur der fahle Schein des zunehmenden Mondes schimmerte durch die Baumkronen. Denon stapfte zwischen Farn und Wurzelwerk abseits der Wege, seine Laterne fest in der Hand, obwohl das flackernde Licht kaum noch mehr tat, als die Schatten zum Tanzen zu bringen. Fast belanglos beugte er sich vor um im Dickicht nach weiteren Ginseng Wurzeln Ausschau zu halten.

Er wusste nicht mehr genau, wie lange er schon ging. Stunden? Tage? Wochen? Vielleicht auch Monate oder sogar Jahre. Die Zeit verließ ihn manchmal, wie ein Vogel, der sich einfach entscheidet, nicht wiederzukommen. Und an manchen Tagen war sie wieder da, klar trieb ihm unbarmherzig vor sich hin.

Weniger oft zurück kamen kleine Splitter seiner Vergangenheit und stets lagen sie im Trüben, genauso trüb wie das Wetter oder seine Augen. Er wusste im Grunde nicht mehr, wer er eigentlich war, doch hatte er gute und weniger gute Tage wo zumindest manche seiner Erinnerungen zurückkamen. Doch nur um sich kurz danach wieder genauso schnell zu verflüchtigen, wie sie gekommen sind. In den letzten Monden hatte er sich den Namen Denon gegeben. Er wusste das es nicht sein richtiger Name war und eigentlich hätte er ihn auch nicht gebraucht, es stellte sich dann aber doch als ganz nützlich heraus, wenn er auf manche Menschen mehr als einmal traf.

In seinen Taschen klirrten Phiolen und kleine Fläschchen, manche leer, manche voll. Wacholder, Stechapfel, Ginseng und andere frische Kräuter stopften die prall gefüllte Gürteltasche aus. „Sie stören bei der Kräutersuche…“ murmelte er halblaut. War das wirklich der Grund, warum er sich an den frostigen Untoten störte? Er hatte sie sich bei der gefallenen Festung der Schwarzfalken angesehen und war von ihrer schieren Anzahl anfangs überrascht. Irgendetwas war da noch, aber es war zu tief begraben, um es benennen zu können. Er hatte schon viele Begegnungen mit Untoten, aber irgendetwas an ihnen war seltsam.

Der Wind fuhr durch die Äste und die feuchte Kälte kroch ihm immer mehr unter den Mantel. Es klang wie ein fernes Flüstern. Ein Flüstern das immer wieder, stetig und ohne Unterlass, von etwas kündete. Diese unterschwellige singende Botschaft trieb ihm dauernd vor ihm hin, seitdem er wieder so etwas wie eine halbwegs stete Erinnerung besaß.

Runa. Der kalte Windzug brachte seine Gedanken nur ein paar Tage in die Vergangenheit, ein Tag wo sein Kopf klarer war als sonst, zumindest meistens. Die Hexe, deren Stimme so ruhig war, dass sie einem den Boden unter den Füßen wegziehen konnte, sie hatte sich verändert seitdem er sie vor vielen Monden das letzte Mal sah. Und doch erkannte er sie, als sie zufällig auf den schneebedeckten Wegen im Norden traf.

„Verrückte glauben immer, sie seien klaren Verstandes.“

Der Satz war die letzten Tage immer wieder in seinem Geist erklungen, nachdem Runa ihm geraten hatte einen gewissen Amin aufzusuchen, nachdem sie recht nüchtern aber bestimmt die Entscheidung getroffen hatte das er nicht ganz zurechnungsfähig sein dürfte.

Denon blieb stehen. Der Wald war still geworden. Zu still. Das unterschwellige Singen fehlte. Er senkte die Laterne und sah, wie das Licht zittrig über den feuchten Boden scharrte.

Er wusste, was jetzt kam. Dieses Ziehen zwischen den Schläfen, dieses Gefühl, als würde sein Verstand kurz nach vorne kippen, über eine unsichtbare Schwelle hinweg. Es war nicht so, als würde sein Bewusstsein verlieren oder unter Schwindel leiden, im Gegenteil schienen sich seine Sinne teilweise sogar zu schärfen.

Er war nicht verrückt. Er hatte sich zwar verloren und die Kräutersuche war eine der verbliebenden Verbindungen zu seinem alten Ich, aber abseits von seiner fehlenden Vergangenheit wollte er keinen Wahn in sich finden. Er war einfach nur ein Wanderer auf der Suche nach Kräutern und vermutlich auch ein wenig nach sich selbst.

Die Stille, die Abwesenheit des Gesangs nahm in den letzten Wochen immer öfter zu. Eigentlich waren diese Phasen sogar fast angenehm und die Stille eine willkommene Abwechslung. Aber nach der Stille folge stets wieder das unterschwellige ätherische Singen. Ein Gesang der nicht müde wurde den Untergang anzukündigen. Denon spürte es immer mehr im inneren und er sah immer mehr Zeichen für einen gewaltigen Niedergang, die eisigen Untoten waren nur eines davon. Doch stapfte er weiterhin nur ziellos auf der Suche nach Kräutern durch einen finsteren feuchten Wald, ohne zu wissen, wer er nun wirklich war, noch was das alles zu bedeuten hat.
 
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