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Auf dem Tisch liegt ein Zettel, damit er nicht wegfliegen kann, steht ein Glas darauf. Es ist leer.
Auf dem Weg zum Tal laufe ich sofort in Kundschafter. Den Bergkamm verlassen, ohne gesehen zu werden, ist ohne Magie nicht möglich. Sie hatten Bögen bei sich.
Runa
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Der Sturmwolf war gekommen, und mit ihm das Rudel. Fremde, Verstoßene – und doch waren sie es, die den Platz gesäubert hatten, an dem sie Schuld hatte.
Sie sprachen von Führung, von Stärke, von Anspruch. Aelia knurrte, Harek bellte, und alles, was Runa hörte, war ein Schwanzvergleich mitten in einer Welt, die längst zu erfrieren drohte.
Sie stand dabei. Aber fühlte sich sinnlos. Aelia hatte alle Hände voll zu tun, und Runa war da – mehr nicht. Sie war ein Schatten an der Seite jener, die lauter waren. Kräftiger.
Der Norden stirbt.
Das Eis wird kälter.
Und sie streiten.
Nicht um Hoffnung. Nicht um Rettung.
Sondern um die Krone eines zerfallenden Reiches.
Mit jedem Wort, das Harek sprach, verschwand ein Stück Licht aus ihrer Sicht. „Auserwählt vom Sturm?“ – Und wenn schon. Der andere? Wahnsinn in Fleisch. Sie wollten führen. Aber selbst wenn sie die Eisuntoten besiegten – was dann? Barbaren kennen nur Kampf. Nur Tod. Sie würden sich nicht niederlassen. Nicht leben. Nicht heilen. Nichts von dem, was gesagt wurde, klang wie ein Ausweg. Jeder Vorschlag war nur ein neuer Weg in den Abgrund.
Und Runa?
Wieder stand sie am Rand.
Wieder war da nichts, das sie tun konnte.
Keine Rolle, kein Platz, kein Zweck.
Das Wissen darum kam wie ein Brecher – und sie griff zum Met. Sie trank selten. Alkohol war Verschwendung. Aber heute… Heute zählte das nicht. Heute war der Gedanke an Alchemie zu weit weg. Ein Glas. Dann noch eins. Noch bevor sie atmete, war der dritte Becher leer. Als sie wieder zu denken begann, war sie längst auf dem Schiff. Und sie trank weiter. In der Hoffnung, die Gedanken würden endlich schweigen.
Dann saß da Kesvinn.
Ein Wirbel aus Stolz, Sturheit und einer seltsamen Zerbrechlichkeit.
In einem Satz wirkte sie wie eine uralte Weise – im nächsten wie ein törichter Frosch.
Kein Raum für andere Sichtweisen. Aber auch keine Haut, die viel aushielt.
Und Rao.
Was sollte sie von ihm denken? Hass? Liebe? Beides? Nichts? Alles? Er war da, wie immer. Und wie immer zu viel.
Sie sprachen. Vielleicht. Worüber? Runa wusste es nicht mehr. Vielleicht war es nie wichtig gewesen.
Die Welt drehte sich. Langsam. Dann schneller. Dann wurde es schwarz.
Und still.
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Feine Nebelschleier zogen sich durch das Gras, schienen selbst das Blinzeln schwerer zu machen. Runa öffnete die Augen, langsam, wie durch Wasser. Ihre Finger ruhten noch immer an der Pieke, als hätte sie sich nicht bewegt, nicht geatmet – als sei die Nacht einfach nur stehen geblieben.
Ihr Atem hinterließ kaum Spuren in der feuchten Luft.Und doch spürte sie ihn – so flach, so leise, wie etwas, das man heimlich tut.
„Wenn du nicht fragst,“ murmelte sie leise, „bleibt alles still.“
Der Nebel legte sich auf ihre Haut, feucht wie ein Versprechen, das nie ausgesprochen wurde.
Runa erhob sich nicht. Aber sie beugte sich vor, ganz leicht, näher zur Kugel, als lausche sie einem Traum, der sich an ihre Gedanken heftete.
Vielleicht war das der erste Schritt.
Nicht das Fragen.
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Lange saß sie da, starrte ins Nichts. Rao Worte hallten nach. Was würde Lykke von ihr denken, wenn sie nach ihrem Blut früge? Der Gedanke nagte an ihr, langsamer als Angst, leiser als Scham – aber stetig.
Das Gras unter ihr war feucht vom Tau der Nacht, nur die Kugel lag vor ihr, stumm und spiegelglatt, als könne sie ihre Gedanken hören, aber nicht deuten.
Runas Finger glitten über den Schaft der Pieke. Fast zärtlich, als wolle sie sich daran erinnern, wofür sie steht – oder wofür sie stand.
Wie sollte sie es erklären?
Dass es nicht Gier war, nicht Macht, nicht einmal Notwendigkeit?
Nur diese eine Möglichkeit, ein Weg durch das Dickicht aus Fragen, durch das Schweigen des Glases, durch das, was sie nicht verstand.
Sie hatte gelernt, im Tal zu schweigen.
Doch nun waren es nicht Worte, die sie zurückhielt – sondern Blicke, die sie sich vorstellte. Verwunderung. Fremdheit. Misstrauen.
Sie schloss die Augen.
Die Kälte war da, aber sie störte nicht. Sie war ein Teil von ihr geworden, wie die Stille, wie die Kugel, wie die Gedanken, die sie nicht mehr losließen.
Es war kein Zögern. Kein Plan. Kein Entschluss.
Nur ein Moment. Ein Moment, in dem Runa nicht wusste, ob sie etwas verlieren würde, wenn sie fragte – oder wenn sie es nicht tat.
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Es war eine dieser Nächte, in denen selbst das Schweigen schwer wog. Der Vollmond hing groß am Himmel, wie ein Auge, das zu viel sah und nichts sagte. Kein Laut, keine Tiere, kein Wind – nur das knisternde Flackern der Nordwindfackel, deren bläuliche Flamme starr in den Himmel züngelte. Sie brannte nicht wie gewöhnliches Feuer. Sie glomm. Sie atmete. Und sie warf ein fahles Licht auf das Gras ringsum, das fast silbern wirkte unter ihrem kalten Schein. Runa saß im Gras. Die Beine angewinkelt, der Rücken gerade, der Blick auf die Kugel gerichtet, die zwischen ihr und der Fackel lag.
Sie glänzte – nicht wie Glas, sondern wie etwas, das Erinnerung speichert. Manchmal spiegelte sie das Licht der Flamme, manchmal nicht. Und manchmal schien es, als sei beides, Licht und Schatten, tief in ihr gefangen.
Auf Runas Schoß ruhte eine Waffe. Soneias Pieke. Nicht geschultert, nicht achtlos abgelegt – sondern wie man etwas trägt, das man noch nicht ganz begreift, aber zu bewahren entschlossen ist. Der Schaft lag quer über ihren Oberschenkeln, die Hände ruhten lose darauf, als wüssten sie nicht, ob sie halten oder loslassen sollten.
Der Atem stieg ihr in kalten weißen Wolken aus dem Mund, obwohl die Luft im Tal milder war. Es schien nicht frostig, aber – fremd. Nicht bedrohlich, aber – leer.
Sie sprach nicht. Sie war einfach da, in dieser Nacht, mit ihrer Kugel, der Flamme und einem Stück Vergangenheit auf den Knien. Und das war genug.
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Runa war im Dorf. Nicht laut, nicht angekündigt – sie war einfach da. Mit dem leisen Ernst, der an ihr haftete, wie der Duft von Kräutern und kaltem Stein. Sie ging zuerst ins Langhaus. Dort vermutete sie Aelia – und fand sie auch, oder wurde gefunden. Ein kurzer Moment nur, ein kurzer Blick, dann einige wenige Worte. Aelia sah aus wie immer: schön und stolz, die Schultern gerade, ihr Haupt von einem Eisbärenkopf geziert, als hätten die eisigen Schrecken keine Spuren hinterlassen. Doch in ihren Augen lag Tiefe, ein Glanz von etwas, das nicht gesagt, nur ertragen werden kann. Sie war ruhiger, schien mehr in Gedanken
Lange blieben sie nicht ungestört – Lykke kam dazu. Es dauerte nicht lang, da fiel der Name Godric, und Runa hörte, wie Lykke erklärte, dass Eirikur in den Hain gebracht worden war. Zum Heilen. „Wenn die Druiden ihn in den Hain nahmen…“, dachte Runa sofort, „…dann ist da mehr, als man sieht.“ Sie sagte das erst, als Aelia und sie wieder alleine waren. Wie sie es im Tal lernt, versuchte sie zu lauschen. Aelia und Lykke sprachen, Runa hörte zu. Fragte nicht. Hielt sich zurück. Doch sie spürte: irgendetwas stimmte nicht.
Lykke gefiel ihr nicht. Nicht offen – aber tief. War es die Erinnerung an die Vision? Der Augenblick, in dem sie Lykke wie Adelis gesehen hatte, bleich, tot, wie aus Eis gemacht? War ihr Blick seither getrübt – so sehr, dass sie nun nicht mehr die Tochter sah, die um ihren Vater bangte, sondern nur eine Maske mit fremden Zügen? Sie wusste es nicht. Aber sie hörte in allem, was Lykke sagte, etwas anderes.
Aelia meinte später, sie wirke verrückt. Sie fragte sich nur, ob es das war – oder ob es einfach Angst war, die keine Worte mehr finden konnte.
Runa aber dachte an etwas Drittes. Etwas, das niemand aussprach.
Bevor sich die Sonne komplett senkte, verschwand Runa wieder im Tal. Sie sagte, sie müsse sich um die Feuer kümmern, aber eigentlich wollte sie mit ihren Gedanken alleine sein. Ein paar Äste sammelte sie auf dem Weg ein. In Gedanken ging sie immer wieder Lykkes Worte und Gesten durch. Was war es, dass sie störte?
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Die Zeit verlor ihre Namen. Tage wurden zu Wochen, ohne dass jemand sie zählte. Runa war geblieben. Nicht, weil man sie darum gebeten hatte – sondern weil sie spürte, dass es nötig war. Nicht für das Tal, sondern für sich.
Der Anfang war ungewohnt gewesen. Jetzt aber schien ihr jeder Schritt, jede Aufgabe fast wie ein Teil von ihr geworden zu sein – als hätte das Tal selbst langsam ihre Bewegungen übernommen. Täglich zur selben Stunde, wenn die Sonne hoch über den Baumkronen stand und der Schatten der alten Fichte am kürzesten war, machte sie sich auf den Weg – Schaufel über der Schulter, Wassereimer in der Hand. Ihr Ziel: das Toilettenhaus. Kein Ort, über den man gern sprach, aber Runa tat es gewissenhaft. Sie arbeitete ruhig, sorgfältig, und wenn nötig, holte sie aus dem kleinen Vorrat alchemistischer Waren, den sie mitgebracht hatte: ein zäher Harzbalsam, mit Essenzen aus Birkenrinde und Mangrovenöl versetzt, der das Holz gegen Fäulnis schützte, Insektizide, die gegen Ungeziefer halfen. Sie verwendete die Mittel nicht verschwenderisch – nur wenn es wirklich notwendig war. Wie jemand, der gelernt hatte, nicht mehr auf Vorrat zu zaubern, sondern auf Bedarf zu wirken.
Jeden Tag wählte sie einen anderen Weg. Draußen, auf den vereisten Pfaden, sammelte sie Holz – sorgfältig, mit prüfendem Blick. Kein morsches Totholz. Kein grünes. Nur das, was bereit war, genommen zu werden. Sie schleppte es zurück, schichtete es zum Trocknen. Schweigend.
Wenn Alvhit am Kessel stand, war Runa nie weit. Sie beobachtete, was hineinfiel – ein Blatt, ein Stein, ein Krümel dunklen Pulvers –, schrieb es auf, so genau sie konnte. Noch wichtiger war, dass sie zuhörte. Alvhit sprach viel, manchmal nur leise vor sich hin, manchmal mit einem Ton, als sei jedes Wort eine Prüfung. Runa stellte selten Fragen. Es fiel ihr schwer, doch sie zwang sich dazu: zuhören, nicht unterbrechen. Lernen, ohne sofort zu verstehen. Sie war eine Fremde hier und musste vieles lernen, sich anpassen.
In den Stunden ohne Aufgabe – wenn keine Stimme rief, kein Holz zu tragen war, kein Wasser fehlte – teilte sie ihre Zeit:
Entweder saß sie vor der alten Fichte, die sie längst persönlich zu kennen schien. Dort hielt sie ihre Kristallkugel im Schoß, blickte hinein, still, geduldig. Manchmal murmelte sie etwas. Manchmal schimpfte sie leise mit dem Baum, wenn der sich weiterhin weigerte, einen brauchbaren Ast fallen zu lassen. „Tust wieder so, als wärest du der alte Götterbaum höchstselbst. Dabei brauchst du bloß einen guten Sturm.“
Oder sie saß über Alvhits Büchern. Runen, Zeichen, Notizen – fremd und doch nicht unverständlich. Daneben lagen leere Seiten, die sich nach und nach füllten: mit Entwürfen, Analysen, mit eigenen Gedanken.
Manchmal versuchte sie, ihre alten Sprüche zu zerlegen, sie zu verstehen, wie man einen Knoten löst, den man selbst gebunden hat. Dann wieder lernte sie Runen auswendig. Nicht, um sie sofort zu benutzen – sondern weil sie spürte, dass man sie nicht anwenden, sondern kennen musste.
So verging die Zeit. Und das Tal, das nichts forderte, aber alles bemerkte, ließ sie gewähren.
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Runa ist fort. Nicht verschwunden – nur stiller geworden. Wer nach ihr fragt, wird hören, sie habe sich ins Tal der Hexen zurückgezogen. Dorthin, wo das Grün selbst im Norden noch lebt, wo Wurzeln aus uralten Gründen wachsen und das Moos über alles hinwegwächst, was nicht freiwillig geht. Es ist kein dramatischer Aufbruch, keine Flucht – nur ein stilles Gehen, von jemanden, der merkt, dass er gerade nicht mehr sprechen sollte, sondern zuhören.
Man sieht sie dort, wie sie Wasser zum Kessel schleppt, wenn sie bemerkt, dass er leer ist. Wie sie lose Äste sammelt, ordentlich aufschichtet, damit sie trockenen können. Wie sie schweigend das Toilettenhaus umgräbt – mit jenem müden, zielgerichteten Blick, den man nur dann trägt, wenn man weiß, dass sich niemand sonst darum kümmern wird. Sie bringt Holz zu den Feuerstellen. Keine großen Gesten – sie tut es einfach, wenn es getan werden muss. Nie aufdringlich. Nie mit Anspruch. Sie ist da, nicht mehr und nicht weniger.
Und wenn es nichts zu tun gibt – wenn Alvhit ihr keine Aufgabe stellt und das Tal selbst schweigt –, dann sitzt sie auf dem weichen Boden vor einer alten Fichte. Die Kristallkugel in ihrem Schoß, unbewegt. Kein Licht, keine Vision. Nur Stille. Und wenn sie dann nicht in die Kugel schaut, meckert sie die Fichte an.
Nicht laut, nicht ernst. Mit dieser eigensinnigen Stimme, die irgendwo zwischen Trotz und Resignation liegt:
„Du stehst hier rum, groß und satt, aber kein Ast für mich? Nichts, was man brech'n kann? Tust ja, als wärst' wer. Nur weil du Nadeln hast.“ Die Fichte antwortet nie. Natürlich nicht. Aber Runa bleibt. Und vielleicht, irgendwann, lässt der Baum doch noch einen Ast fallen. Vielleicht. Und wenn nicht, irgendwann kommt sie auch anders an ihren Scheit.
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Um auch die zu erreichen, die nicht bei discord sind: bin von Donnerstag bis Sonntag nicht da, vll sogar schon ab Mittwoch mit Option auch bis Montag
Do bis So bin ich komplett nicht erreichbar, also auch keine PNs, Foreneinträge oder sonst irgendwas, da bitte nicht wundern, wenn ich lange zum Antworten brauche.
Gilt natürlich für alle meine Chars
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Die Tür quietschte leise, als Runa sie öffnete. Der Abend war hereingesunken, kälter als der Tag, doch mild genug, dass der Atem nur träge in der Luft stand. Sie trat hinaus, die Flamme der Fackel in ihrer Rechten flackerte kaum – selbst der Wind schien heute müde.
Dann hielt sie inne.
Der Dolch. Ein rostiger Griff, roh und ohne Zier, tief in das Holz geschlagen. Das Papier darunter flatterte kaum – zu steif vom Wachs, zu schwer vom Geruch. Etwas Bitteres. Heilerkräuter? Nein. Etwas daran war … falsch. Faul und scharf zugleich. Ihr Herz schlug schneller. Kurz. Nicht aus Panik, aber aus einer alten, stillen Vorsicht. Es hätte eine Warnung sein können. Eine Drohung. Sie trat näher. Langsam löste sie den Dolch, zog das Papier ab, ohne es weiter zu beschädigen. Ein wenig Wachs bröckelte zu Boden. Sie sah sich nicht um – niemand war da. Kein frischer Schnee, keine neuen Spuren. Wer immer es gebracht hatte, war lange fort.
Sie sah die Schrift. Las die wenigen Worte. Runa blinzelte. Kein Absender. Aber Worte, die schwer wogen. Und so gewählt waren, dass sie verstanden würden. Von ihr. Runa ging zurück ins Haus, leise, zielgerichtet. Sie legte das Papier auf den Tisch, daneben den Dolch, rostig und stumpf, aber nun ein Teil der Botschaft. Dann nahm sie ein Stück raues Packpapier, riss es zurecht, schrieb mit dunkler Tinte:
Bin nach Dengra gereist.
Sie faltete den Zettel und beschwerte ihn mit einem kleinen Glasgewicht, das sonst Kräuterwurzeln presste. Dann brach sie auf. Ein letzter Blick zur Tür. Der Schlitz, den der Dolch hinterlassen hatte, war schmal, aber sichtbar. Runas Blick blieb kurz daran haften. Dann wandte sie sich ab.
Der Weg zum Hafen würde kalt sein, aber das war nicht neu. Am Hafen sah sie Vogestr und bat ihn Aelia etwas auszurichten.
"Wenn du Aelia siehst, sag ihr bitte, dass sie eine Nachricht auf dem Tisch hat. Und dass ich in Dengra bin." Ihr Ton war ruhig, kein Platz für Fragen. Dann verschwand sie im Rumpf des Schiffes.
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Das Labor war still. Nicht leer, nicht tot – aber still. Wie ein Raum, der den Atem anhält, während jemand nach etwas greift, das nicht für seine Hände gedacht war. Runa hatte die Vorhänge zugezogen. Kein Licht fiel herein, außer jenem der blassblauen Fackel, die in einer Eisenklammer an der Wand ruhte. Ihr Flackern war fast regungslos, nur ein leiser Schein, der die Schatten nicht vertrieb, sondern ihnen Tiefe gab. Der Raum roch nach kaltem Stein, nach alten Papieren und einer Note verbrannter Kräuter, die sich in Ritzen und Fasern festgesetzt hatte wie ein geisterhafter Schleier.
Die Kugel lag vor ihr auf dem Arbeitstisch. Kein Sockel, kein Tuch – nur das rohe Holz unter ihr, rau und dunkel vom Alter. Runa saß aufrecht, beide Hände locker auf der Tischplatte, fast so, als wolle sie die Kugel nicht berühren, sie aber auch nicht aus den Augen lassen. Ihr Blick war ruhig. Wach. Doch etwas in ihr war angespannt, wie eine Saite, zu straff gezogen, um zu klingen. Ihr Atem kam langsam, gleichmäßig, sichtbar in der kalten Luft, als müsse sie jede Regung kontrollieren, um nicht zu stören, was noch nicht da war.
Leise begann sie zu sprechen. Keine Beschwörung, kein Zauberspruch – nur Worte. Schlicht, bedacht, getragen von einer Stimme, die mehr wusste, als sie verriet. Worte wie Fäden, gesponnen aus Erinnerung und Ahnung, aus dem, was war, und dem, was vielleicht sein könnte. Kurz. Fragmentarisch. Fast murmelnd. Als ob sie einer Stille antwortete, die nur sie hörte. Manche Sätze wiederholte sie. Andere löschte sie mit einem einzigen Atemzug aus der Luft. Ihre Finger tasteten mit der Zeit näher an die Kugel heran, streiften sie kaum merklich, wie man einen schlafenden Wolf berührt – aus Faszination und mit tiefem Respekt vor dem, was geschehen könnte.
Die Kugel blieb stumm. Klar. Undurchsichtig in ihrer Durchsichtigkeit. Doch Runa sah hinein, als wäre darin etwas, das sie verstand – oder verstehen musste.
Die Zeit verrann. Vielleicht Stunden. Vielleicht nur ein paar Minuten, verloren in der Dichte der Stille. Ab und zu stand sie auf, ging einige Schritte durch den Raum. Nie hastig, nie unsicher. Sie legte getrocknete Kräuter in eine Schale. Zündete sie nicht an, sondern ließ sie einfach da, wie ein stilles Opfer. Dann kehrte sie zur Kugel zurück, als sei sie nur kurz hinausgegangen, um dem Gespräch Raum zu geben. Schließlich – sie wusste nicht, wann genau – setzte sie sich wieder, beide Hände nun offen um die Kugel gelegt. Sie sprach nicht mehr. Ihr Blick ruhte still in der Tiefe des Kristalls, und ihre Schultern sanken langsam. Nicht in Erschöpfung, sondern in Bereitschaft.
Nicht, um zu fordern.
Nur, um zu hören.
Falls etwas sprach.
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*An dem kleinen Regal neben dem Fass hängt ein Zettel.*
Soll ich das Leder zu Paps bringen?
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*Auf seinem Tisch liegt mal wieder ein Zettel*
Hey du,
ich hab die Lederklammoten durchprobiert. An zweien kleben jetzt Runen, sind die 2 Hosen da in der Tasche. Hab die ganze Tasche wieder in deine Truhe gelegt. Und dabei ma was in die eine leere Tasche da geworfen, damit man sehen kann, was da drin is. Hab die Liste auch erweitert. [[OOC: das docs Dokument]]
Und da war noch n Hemd in der Truhe... das is mir kaputt gegangen.
Das Geld auf dem Tisch ist von Thjostarr, der wollte 10 Leinen haben, gab ihm 10 von dir, ist also dein Geld.
Runa
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Zuerst war da nur der Moment. Flüchtig wie ein Atemhauch auf kaltem Glas. Ein Irrtum, sagte ihr Verstand, ein Spiel des Lichts. Doch ihr Körper wusste es besser – das Kribbeln in den Fingerspitzen, der metallische Geschmack auf der Zunge, der plötzlich viel zu real war, um Trug zu sein. Runas Blick blieb an der Kugel haften. Starr. Wach. Die vermeintlichen Risse waren verschwunden, glatt wie zuvor, makellos. Doch sie hatte es gesehen. Gefühlt. Irgendetwas hatte in sie hineingeblickt – oder versucht, durch sie hindurchzusehen.
Sie sog scharf die Luft ein, ohne es zu wollen. Sie schmeckte bitter. Alt. Wie Eisen, das zu lange in Stille gelegen hatte.
Ihre Hände schlossen sich fester um die Kugel. Noch immer war sie kalt – nicht wie Schnee, sondern wie etwas, das nie warm gewesen war.
Ein Gesicht.
Kein Gesicht.
Was auch immer es war – es hatte ihr geantwortet. Oder sie gewarnt.
Die Flamme knisterte wieder, leise, zischend wie ein geheimer Laut, der sich nicht in Worte kleiden wollte. Runa stand auf, beinahe ruckartig, der schwere Pelz glitt von ihren Schultern wie eine Häutung. Der Wind zerrte sacht an ihrem Haar, doch sie spürte ihn kaum noch. Ihre Gedanken waren bereits woanders. Mit einer geübten Bewegung riss sie die Fackel aus dem gefrorenen Boden. Der Schaft knackte unter ihrer Faust, doch hielt stand. Dann wandte sie sich um – ein letzter Blick zurück, nicht aus Zweifel, sondern aus Gewohnheit. Das Fell blieb im Schnee zurück, eine leere Hülle.
Auf dem Weg zum Labor kniete sie kurz vor dem Haus nieder. Die Kugel klemmte sie sich unter den linken Arm, während die Rechte mit ihren Fingern einen weiten Kreis in den Schnee zeichneten. Nicht tief – aber deutlich. Asche rieselte sacht in die gezeichnete Spur, schmolz sich hinein wie eine Unterschrift. Runa murmelte nichts. Kein Zauber, kein Gebet. Nur der Kreis, schweigend gezogen, genügte.
Dann stieß sie die Tür auf und verschwand im Inneren.
Die Flamme hinter ihr warf einen letzten blauen Lichtschein in die Dunkelheit – als wollte sie sich vergewissern, dass die Schwelle überschritten war.
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Aus dem gefrorenen Boden ragte ein Stück Holz, gesplittert und fahl wie uraltes Treibgut, doch seine Maserung schien zu glänzen wie vereister Stahl. Es brannte – aber nicht wie gewöhnliches Holz. Die Flamme war blassblau, heißkalt und ohne Rauch. Sie züngelte steif im Wind, als sei selbst sie dem Frost unterworfen, und doch ging eine durchdringende Hitze von ihr aus, spürbar bis zu Runas Händen. Still lag das Land um sie. Nur das leise Flackern der Flamme durchbrach das Schweigen – ein Licht, fremd und unirdisch, das auf den ersten Blick an Feuer erinnerte, auf den zweiten an etwas ganz anderes.
Sie saß vor der Fackel auf einem ausgebreiteten Fellumhang, grob genäht aus schwerem Braunbärenpelz, das dichte Fell leicht überzuckert vom Schnee. Der Umhang war dick genug, um die Kälte abzuwehren, doch Runa wirkte ohnehin unberührt davon.
In ihrem Schoß ruhte eine Kugel. Glatt, nahezu vollkommen rund, lag sie zwischen ihren Fingern, schwer wie ein Eid. Kein gewöhnliches Glas war das – es war klarer, reiner, geschliffen mit jener Kunstfertigkeit, die mehr verlangt als bloßes Handwerk. Im Licht der blauen Flamme zogen sich feine Schlieren ins Innere, als flösse träge Licht darin oder als ruhe ein Nebel in ihrem Herzen, den kein Atem vertreiben konnte. Die Kugel war ein Geschenk. Ein teures – nicht nur im Preis, sondern in dem, was es bedeutete, so etwas anvertraut zu bekommen.
Runa blickte hinein. Ihr Atem stieg ruhig auf, weiß vor der Luft, die alles Leben zu prüfen schien. Ihre Augen – grünblau wie moosiger Stein am Grund eines klaren Bachs – verloren sich im Inneren der Kugel, suchten, tasteten. Ihr feuerrotes Haar leuchtete matt im blauen Schein, als trüge sie selbst noch Glut im Herzen. Und vielleicht war es so.
Sie sprach nicht. Kein Laut entwich ihr, nur ihre Finger bewegten sich leicht, als wolle sie mehr fühlen als sehen.
Sie wartete.
Lauschte.
Verharrte im Schnee.
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