Der Wind rüttelte an den schweren Holzbalken über dem Ratskeller, als wolle er selbst Einlass erzwingen. Draußen peitschte der Regen, doch in den dicken Mauern des alten Versammlungsraums flackerte nur träge das Feuer in der eisernen Schale. Der Tisch in der Mitte – grob gezimmert, die Oberfläche von Jahren des Streits und der Planung zerkratzt – war leer, bis auf Lykkes Hände, die darauf ruhten. Ihre Fingergelenke waren noch immer blutverkrustet. Nicht alles davon war ihres. Der Weg aus der Hochlandburg war kurz gewesen – aber zu lang für manche, die zurückblieben. Ein dumpfer Husten drang aus dem Nebenraum. Eirikur. Kein Aufschrei, aber auch kein Laut der Besserung. Lykke richtete sich auf. Ihre Augen lagen tief im Schatten ihrer Wangenknochen, doch ihre Stimme war klar, als sie sich an den Krieger wandte, der mit einer Fellschulter an der Tür stand. „Brynjar. Du nimmst dat Nordross un ritt zu da Eiszapfenhalbinsel.“ Er nickte sofort, wartete auf mehr. „Du wirst Aelia von dat Bärenclan finnen. Sag ihr, dat ik sie hier brauche. Nicht irgendwann. Jetzt. De Norden hat keen Schild mehr.“ Brynjar zog kurz die Brauen zusammen. „Und wenn sie fragt, wer ruft?“ Lykke trat näher, bis der Schatten des Feuers über ihr Gesicht tanzte. „Sag ihr, dat Lykke ruft. Tochter des Blutes, Zeugin des Falls der Hochlandburg.“ Eine Pause. Dann fügte sie mit leiser, fester Stimme hinzu: „Un dat ik ihr was anbieten kann – wenn sie bereit ist.“ Brynjar musterte sie. Für einen Moment war nur das Knacken des Holzes zu hören. „Und wenn sie es nicht ist?“ „Dann stirbt dat Volk de Unerschrockenen zwischen twee Wintern. Un keener wird mehr unseren Namen in de Wind schreien.“ Brynjar verneigte sich knapp, warf sich einen Mantel über und verschwand durch die schwere Tür hinaus in den Regen, der sich mittlerweile mit Schnee mischte. Lykke blieb einen Moment stehen, blickte in die Flammen. Dann drehte sie sich um – zurück zu Eirikur, zurück zur Schwärze, die sich zwischen Hoffnung und Untergang spannte.
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